In den neunziger Jahren verbot der Dalai Lama die buddhistische Praxis, sich auf den Dharmabeschützer Dorje Shugden zu verlassen, der seit mehr als vier Jahrhunderten als Weisheitsbuddha angesehen wird, der hilft, günstige äußere und innere Bedingungen für die Praxis der Lehren Buddhas zu schaffen.

Lama Yeshe und Lama Zopa bei der Dorje Shugden Puja

Lama Yeshe und Lama Zopa bei der Dorje Shugden Puja

Die Praxis sich auf Dorje Shugden zu verlassen, wurde ausgiebig von Je Phabongkhapa und Vajradhara Trijang Rinpoche gelehrt, den größten Gelug Lamas des 20. Jahrhunderts, wobei letzterer der eigene Wurzelguru des Dalai Lama ist. Es war eine Praxis, die die Mehrheit der tibetischen Buddhisten während des größten Teils des 20. Jahrhunderts ausübte, einschließlich einiger der größten Lamas, die in den Westen kamen. Um nur einige zu nennen: Lama Yeshe und Lama Zopa, Gründer der Gesellschaft zum Erhalt der Mahayana Tradition (FPMT), Geshe Rabten und Gonsar Rinpoche, Gründer des Klosters Rabten Choeling in der Schweiz, Geshe Kelsang Gyatso, Gründer der Neuen Kadampa Tradition (NKT).

Der Dalai Lama selbst übte diese Praxis, änderte aber später seine Meinung und bezeichnete Dorje Shugden Praktizierende als sektenartige Geisteranbeter, die den Buddhismus zu einer Geisterverehrung degenerieren ließen und die Sache eines Freien Tibet und sein eigenes langes Leben untergruben. Er verbot formal die Praxis von Dorje Shugden in der tibetischen Gemeinschaft durch die Sanktionen, aus dem eigenen Kloster ausgeschlossen zu werden (Hunderte von Mönchen wurden ausgeschlossen), den Verlust des Arbeitsplatzes, den Entzug grundlegender sozialer Dienste, die Verweigerung des Zugangs zu den Lehren, die Betrachtung als Landesverräter und die vollständige gesellschaftliche Ächtung. Die Anhänger des Dalai Lama weiteten die Anprangerung der Praxis auf globaler Ebene aus, starteten internationale Kampagnen für Zwangsunterschriften und versuchten, die Glaubwürdigkeit all jener zu zerstören, die sich gegen dieses Verbot aussprachen.

Indem er erklärte, dass Dorje Shugden ein weltlicher Geist oder ein böser Dämon sei, sagte der Dalai Lama, dass seine Gurus der spirituellen Linie, Trijang Rinpoche und Je Phabongkhapa, Geisteranbeter seien, und er nannte sie „falsch, ganz falsch“. Sind sie falsch, dann ist die gesamte Gelug Linie falsch, denn praktisch alle heute lebenden Gelugpas stammen direkt oder indirekt von diesen beiden Lamas der Überlieferungslinie ab.

Die unmittelbarste Auswirkung dieses Verbots war die unsägliche menschliche Not derer, die darunter litten. Wäre das Vorgehen des Dalai Lama ungeprüft geblieben, hätte es dazu geführt, dass die Praxis der Tradition Je Tsongkhapas aus der Welt getilgt worden wäre. Aus diesen Gründen fühlten sich Dorje Shugden Praktizierende überall auf der ganzen Welt genötigt, sich öffentlich gegen diese Ungerechtigkeit auszusprechen. Dazu gehörten auch NKT Schüler.

Der Dalai Lama und seine Anhänger betrachten Dorje Shugden als ein in seiner Natur weltliches Wesen. Dorje Shugden Praktizierende betrachten Dorje Shugden als ein in seiner Natur erleuchtetes Wesen. Diejenigen, die der Ansicht des Dalai Lama folgen, können natürlich glauben, was sie wollen. Doch auch Dorje Shugden Praktizierenden sollte es erlaubt sein, zu glauben, was sie wollen und sich frei in der Dorje Shugden Praxis zu üben; es muss also keine Kontroverse geben.